Vom 29.04. bis 05.05.2024 ist viel los im Wikingerzentrum zwei Kilometer südlich der ältesten Stadt Dänemarks Ribe an der jütländischen Westküste. Sogenannte Reenactoren bevölkern die Häuser und Plätze, gekleidet als wären sie dem Dänemark der späten Eisenzeit entsprungen, der das Freilichtmuseum gewidmet ist. Im Jahr 860 kam der Mönch Ansgar aus Bremen als Missionar zu dem damaligen König der Dänen, Horik II., und war erfolgreich genug, dem König die Erlaubnis abzuringen, eine Kirche bauen zu dürfen. Zahlreiche Ausgrabungen in Ribe und Umgebung, unter anderem die Reste frühchristlicher Gräber in unmittelbarer Nähe des riesigen romanisch-gotischen Domes und im Hafenbereich schufen die Grundlage für das erste Wikingermuseum in der Stadt, das sich mit besonderem Schwerpunkt mit der Mythologie der Wikinger auseinandersetzt und deren Schöpfungsvorstellung sehr gut nachvollziehbar präsentiert.
1992 fing man an, ein Freilichtmuseum mit Nachbildungen der in dieser Gegend nachgewiesenen Haustypen aufzubauen, das „Dorf Ripa“. Ein Areal von 15 Hektar wurde zur Verfügung gestellt mit einem Teich, der es ermöglicht, auch einen Anleger sowie Liegestellen für Boote darzustellen. Von der Hafenanlage fällt der Blick auf den Nachbau der ersten Holzkirche (alles wurde natürlich noch in Holz gebaut). Inzwischen zieren diese nicht nur die typischen Schnitzereien an den Einfassungsbalken, sondern auch flächendeckende Wandmalereien das Innere, die das Leben Jesu sowie Paradies und Hölle in erstaunlich leuchtenden Farben präsentieren. Die Hölle besteht übrigens nicht aus Feuer, sondern zeigt Ertrinkende, die von Engeln mit Speeren unter Wasser gehalten werden und dort Seeschlangen zum Opfer fallen. Durchaus adressatenorientiert. Unter Aufsicht einer „Nonne“ ist es erlaubt, mit einer Art Enterhaken das Glockenseil zu angeln und das kleine Glocke auf dem Dachreiter des Kirchleins zum Klingen zu bringen.
Auf verschlungenen Sandwegen erhält man immer wieder neue Eindrücke von verschiedenen Lebensbereichen und speziellen Werkstätten: Töpfer, Weber, Färber, Tischler, Schuhmacher, Schmiede – dazwischen liegen eingegrenzt mit Flechtzäunen aus Weide, Wällen und Feldsteinen Felder, Weideflächen für das Vieh und Gärten. Wir nehmen an einer Führung zum Thema Gartenbau und Ernährung teil. Alle Kräuter und frühen Gemüsearten werden hier nur angebaut, wenn sie archäologisch in der Gegend nachgewiesen sind. Nicht nachgewiesen sind z.B. Rote Bete, die zur selben Zeit im heutigen Schleswig-Holstein angebaut wurden. Dafür gibt es sehr viele Kräuter: Engelswurz, Koriander, Minze, Meerrettich, Senf, Minze, Thymian, Bohnenkraut und Bärlauch. An Gemüse sehen wir bereits kleine Zwiebelgewächse und wilden Kohl. Die junge Frau im leuchtend blauen Gewand erklärt uns, dass die Wurzeln zur Wikingerzeit viel bitterer schmeckten. Auch sonst waren die Speisen so beschaffen, dass man sie heute nur schwerlich originalgetreu nachkochen könne. Es sei nur wenig Salz und praktisch kein Pfeffer benutzt worden. Allerdings habe man in Ribe eine verdrehte Bienenwabe gefunden, das wäre der Nachweis, dass Honigbienen gehalten worden seien. Hauptnahrungsmittel sei nicht Fleisch, auch nicht Fisch gewesen, sondern Getreidegrütze. Wenn, dann sei wie auch heute noch in Jütland hauptsächlich Schweinefleisch gegessen worden, kaum Wild. Allerdings hat man auch große Rinder gehalten, Schafe, Hühner und natürlich Schweine, die aber zurzeit noch nicht draußen sind. In den Beeten finden wir Färberwaid, andere Pflanzen zur Farbgewinnung werden dieses Jahr gepflanzt. So geht es immer weiter. Auf den Gemüsefeldern werden Wurzeln und Hülsenfrüchte angebaut, Hafer, Roggen und etwas Weizen. Klimatisch gedieh der Roggen am besten und war widerstandsfähiger. Gerste und Hopfen gab es auch und jedes Haus braute sein eigenes Bier. Wir erfahren viel über den Prozess und den mehrfachen Gebrauch der gemälzten Gerste. Man unterschied das starke Festtagsbier, das aus der ersten Nutzung mit etwa 8-9 vol% hervorging, das tägliche Getränk von etwa 3 vol% aus der zweiten, und das „Kindergetränk“mit etwa 0,5-1 vol%. Reines Wasser zu trinken war nicht gesund. Es muss aber auch (Kräuter)Tees gegeben haben…..Auf jeden Fall hörten wir noch eine interessante Geschichte: Am Donnerstag vor Ostern, mitten in den Hungermonaten März, April, Mai, wurden die jungen Mädchen in Wald und Feld geschickt, um neun verschiedene Kräuter zu sammeln, welche die Familie dann in Form einer Suppe als „Vitaminbooster“ zu essen bekam. Ob daher unsere Grüne Soße kommt?
Das Areal bietet auch verschiedene handwerkliche und sportliche Aktivitäten zum Mitmachen, zudem den vielseitigen Markt mit den zugereisten Händlern, die vom Sax bis zur Nähnadel, von der Glasperle bis zum Pokal, von gewebten Stoffbahnen und gefärbter Wolle bis zu fertiger Gewandung und noch viel mehr anbieten, was das Herz begehrt. Ein Besuch lohnt sich immer.
Andrea und Sophie Claussen