Nachgefragt

Wohin des Weges?

Das ist nun wirklich keine neue Erkenntnis: Welpen müssen eine bestimmte Zeit bei ihrem Muttertier bleiben. Trennt man sie zu früh, sind die Schäden für die Welpen klar abzusehen. Auch wenn sie in verständnisvolle, liebevolle Menschenhände kommen. Sie sind dann nicht richtig sozialisiert, sie werden zu ängstlichen Kläffern und Stress-Beißern.

Da der Mensch sich für die Krone der Schöpfung hält, ist es klar, die Regeln, die für alle in der Natur gelten, gelten für den Menschen nicht. Er steht weit darüber.

Was ist eigentlich, wenn Kinder ihren Eltern frühzeitig entzogen werden? Kinderkrippe, KiTa und Kindergarten sollen die entstehenden Defizite ausgleichen. Später muss die Schule mit den verhaltensauffälligen Kindern klarkommen. Oder die Kinder schwänzen die Schule einfach. Über 2300 Kinder haben im letzten Schulhalbjahr nach offiziellen Zahlen den Unterricht geschwänzt, sind 40 Tage und mehr nicht in der Schule gewesen. In den 50er/60er Jahren war vielleicht ein Klassenclown in jeder Klasse. Heute sind es erheblich mehr. Es gab vereinzelt „Schlüsselkinder“, das waren Kinder, deren Eltern nach der Schule nicht zu Hause waren. Die Kinder waren auf sich gestellt. Heute ist das der Normalfall.

Eltern spielen im heutigen System keine Rolle mehr. Die Institutionen, die die Aufgaben der Eltern übernehmen sollten, sind hoffnungslos überfordert. Eine Kinderkrippe ersetzt die Mutter nicht. Das Anspruchsdenken der Eltern hat sich auch geändert, sie erwarten inzwischen, dass all diese Aufgaben vom Staat zu erfüllen sind, fühlen sich nicht mehr verantwortlich. Kinder und Jugendliche verrohen, angezündete oder verprügelte Obdachlose, Schlägereien, bei denen auf den am Boden liegenden Gegner mit Füßen eingetreten wird und Messerangriffe wegen des Nervenkitzels (so wie kürzlich die minderjährigen Mädchen). Dabei wird alles auch noch mit dem Handy gefilmt und selbst ins Netz gestellt. Wie abgestumpft kann man sein? Hilflosigkeit, wo man hinschaut. Unzählige „Fachleute“ werden in den Talkshows herumgereicht, mehr als ausgiebiges Gelaber folgt ohnehin nicht. Vielleicht sollte man mit den Betroffenen mal einen runden Tisch machen.

Wir haben diese Probleme selbst geschaffen. Deshalb macht es auch keinen Sinn, wenn jetzt etwas völlig aus dem Ruder gelaufen ist, auf einmal die Verantwortung bei den Eltern zu suchen. Krippen, KiTas und Kindergärten gibt es nicht, weil man den Eltern etwas Gutes tun wollte. Es gibt sie, weil die Mütter dadurch als billige Arbeitskräfte im Billiglohnland Deutschland freigestellt wurden.

Regierungen, die sich den vermeintlichen Sachzwängen der Kapitalwirtschaft (Profit ohne Rücksicht auf Mensch und Umwelt) unterwerfen, sind die Steigbügelhalter dieser Auswüchse. Und das gilt nicht nur bei unseren Kindern. Die Pflege kollabiert, Krankenhäuser sind abgewirtschaftet, bei lebenswichtigen Medikamenten wird nicht weiter geforscht, es rechnet sich nicht für die Konzerne. Zu wenig Zugführer, Polizisten, Lehrer, es fehlen Fachkräfte in allen Bereichen. Von diesen Jugendlichen will keiner mehr als Bäcker um drei Uhr aufstehen, als Busfahrer Nachtschichten machen oder als Fernfahrer tagelang unterwegs sein. Gefragt sind hoher Lohn und viel Freizeit, mit der man dann wiederum nichts anzufangen weiß.

Doch es gibt Hoffnung, ab dem nächsten Jahr wird das Klima per Gesetz besser. In Deutschland. Anderswo auf der Welt wird es schlechter. Ach so, nicht das gesellschaftliche Klima, das wird schlimmer werden. Das Wetter soll wieder besser werden.

Wolfgang Claussen