Künstlerische Auseinandersetzung mit dem Hansen-Hof in Risum
Was heißt „6 Temperamente“ ?
Damit gemeint sind 5 Künstler in Schleswig-Holstein, Hamburg und Berlin arbeitend, die sich gut kennen und freundschaftlich mit der Malerin Frauke Gloyer verbunden sind.
Für sich hat sie, so wie jeder der Kollegen einen unverkennbaren Stil entwickelt, mit seinen Eigenarten und Vorlieben für Motive, Inhalte und Erzählweise. Alle arbeiten freischaffend und sind über die Landesgrenzen hinaus bekannt.
Wie kam es zu dem gemeinsamen Projekt?
Frauke Gloyer fiel der Hansen-Hof in Risum, im nördlichen Nordfriesland, ins Auge, und zwar besonders, nachdem er nach einer Periode des Verfalls neu belebt wurde. Nachdem sie ihn zunächst für sich als Motiv gewählt hatte, bemerkte sie, dass der alte Dreiseithof schier unerschöpfliche Quellen bot. So entstand die Idee, die befreundeten Künstler mit ins Boot zu holen. Mit dieser Einschätzung lag sie genau richtig. Im Frühjahr 2023 traf man sich zu ersten Skizzen. Allein Christopher Lehmpfuhl war terminlich nicht frei. Der Oktober jenes Jahres brachte die Katastrophe: Der reetgedeckte Hof brannte vollständig nieder. Nur das Backhaus blieb unversehrt. Die Künstler reagierten sehr individuell darauf und im August 2024 wurden die Arbeiten abgeschlossen und Vorbereitungen für die Ausstellung getroffen.
Was hat es mit dem Hansen-Hof auf sich?
Der 1872, also kurz nach der Reichsgründung, wurde von Carsten Urban Hansen als uthlandfriesischer Hof auf einer großen Warft an der Dorfstraße erbaut. Sein jüngster Sohn Carsten Christian (Kake Urbans) erweiterte 1911 die Wohnhaus und Kleinstallanlage um Scheune, Pferdestall und großen neuen Stall zu einem Dreiseithof. Ein Jahr später entstand das ziegelgedeckte Backhaus im Innenhof. Carsten wurde ein bedeutender Viehhändler und zog nach Fahretoft. Mit 50 heiratete er seine Haushälterin und bekam zwei Töchter, Grete und Käthe.
Den Hansen-Hof verpachtete er an den Mann seiner Nichte, Momme Paysen.
1940 zog Kake Urbans mit Familie zurück nach Risum. Seine jüngere Tochter erbte den Hof und führte ihn mit ihrer Schwester, ohne Viehhandel in der traditionellen Bewirtschaftung nach Art ihrer Großeltern als Milchviehbetrieb und zur Selbstversorgung. Sie hielten das Versprechen, nichts zu verändern, und lebten im wahrsten Sinne des Wortes nachhaltig und bescheiden und erreichten ein hohes Alter. Die ältere Schwester Grete starb 2009, 2018 starb Käthe. Sie hatte den Hof, der seit 1980 denkmalgeschützt war, als „Carsten Urban Hansen Stiftung“ in die Hände von Peter Petersen und seiner Frau Ingrid, ihrer Großnichte, gegeben.
Diese waren gerade dabei, sich über das Potenzial Gedanken zu machen, als Frauke Gloyer mit ihnen Kontakt aufnahm.
Wer sind die 6 Temperamente?
Friedel Anderson, Jahrgang 1954, wohnt seit langem in Itzehoe, vielfach ausgezeichnet, und ist ein prominentes Mitglied der Norddeutschen Realisten. BBK. Ölmalerei und Farbradierung sind seine technischen Schwerpunkte. Lichteinfall und feine Farbnuancen bringen die Atmosphäre seiner Bilder zum Klingen. Der Hof weckte Kindheitserinnerungen an das Milchholen vom Bauernhof.
Frauke Gloyer, geb.1961, arbeitet im nördlichen Nordfriesland, in Galmsbüll, und kann als Chronistin dieser Landschaft, ihrer Menschen und deren Lebensweise betrachtet werden. Mit besonderem Blick, auch für sprechende Details, fängt sie mit leichter Hand immer wieder eine ganz eigene Stimmung ein, die beim Betrachten einen Wiedererkennungseffekt auslösen. Sie zählt zu den Norddeutschen Realisten.

Otto Beckmann, Jahrgang 1945, lebt und arbeitet in Hamburg, hat starke Bindungen an Schleswig-Holstein, Preisträger. BBK. In Malerei, Radierung, Linolschnitt, Collagen und Übermalungen erzählt er Geschichten und fängt Prozesse ein, z.B. den Hof, die Schwestern, das Verkohlte, die Spuren.

Manuel Knortz, Jahrgang 1955, stammt aus Husum und lebt und arbeitet mit Blick auf die alten Eiderarme und die Kulturlandschaft des östlichen Eiderstedts. BBK., u.a. Mommsenpreisträger, gehört nicht zu den Realisten. Er arbeitet meist mit verschiedenen Hoch- u.a. Tiefdrucktechniken. Zur Ausstellung schuf er zwei quadratische Ölgemälde, die die Wärme des Reetdachs mit der blauen Dunkelheit der Nacht verbinden und an den Hansen-Hof als ein schützendes Zuhause denken lassen. Die weiteren stimmungsvollen Arbeiten sind in Inkprint am Computer bearbeitete fotografische Collagen.

Christopher Lehmpfuhl, geb. In Berlin, ist ebenfalls Mitglied der Norddeutschen Realisten und arbeitet viel in Berlin, aber auch häufig in Schleswig-Holstein. Auszeichnungen und Stipendien. Seine riesigen wie auch kleinen Formate füllt er großzügig und expressiv mit pastosen Farbreliefs, die er mit der Hand und plein-air aufträgt. Erstaunlich, wie sich die Rillen und Wülste aus der Entfernung zu einem nahezu realistischen Ganzen zusammenfügen. Er erlebte den Hof nur als Brandruine und bannt diese Katastrophe sehr eindringlich auf die Leinwand.

Hans-Ruprecht Leiß, geb.1954 in Husum, lebt und arbeitet in Solitüde/Flensburg, an der Förde und bringt auch maritime Motive mit in den Bilderbogen zum Hansen-Hof. Radierungen, Gouachen, Farbstift und Aquarell dienen ihm zu seinen schier nicht enden wollenden fantastischen Geschichten von Mensch und Tier und lebendig gewordenen Gegenständen voller Details und Humor und Skurilität, die das Unsichtbare sichtbar machen.

Ein Gang durch die Ausstellung ist noch bis zum 2.März möglich. Der wunderschöne Band aus dem Pictus Verlag der Galerie Lüth, Halebüll, ist weit mehr als ein Katalog zur Ausstellung und sehr zu empfehlen.
Der Eintritt zur Ausstellung ist frei. Spenden werden gerne genommen.
Richard Haizmann Museum, 25899 Niebüll, Rathausplatz 2
Öffnungszeiten: Di. bis Fr. 11.00 bis 16.30 Uhr
Sa. 11.00 bis 13.00 Uhr
So. 14.00 bis 17.00 Uhr
Andrea Claussen