Reise

Auf der Suche nach Uta – eine Stippvisite in Naumburg

Seit meiner Kindheit war ich der festen Überzeugung, der Bamberger Reiter und die schöne Uta seien beide im Bamberger Dom beheimatet. Diese gotischen Skulpturen waren für mich die ersten, die es wieder mit denen der griechischen Antike aufnehmen konnten.

Nebeneinander, wahrscheinlich auch mit Markgraf Ekkehard II. zusammen, waren sie als Schwarz-Weiß-Fotografien in meinem Geschichtsbuch abgebildet. Da der Bamberger Reiter keine sichere historische Provenienz hat und deshalb nach seinem Aufstellungsort benannt ist, war es über die Jahre meinem Gehirn ein Leichtes, alles in einen Topf zu werfen. Nicht genug damit. Meine Liebe zum Nibelungenlied brachte auch noch eine weitere Assoziation hinzu: Uta war für mich zu Ute, der Mutter Krimhilds geworden.

Alles schön, aber nicht wahr. Uta war gar keine Mutter, was damals ganz besonders tragisch gewesen sein muss. Ernst, aber lieblich blickt sie über den elegant mit der rechten Hand von innen über den halben Mund und den unteren Teil der Wange hochgehaltenen Mantelumhang, dessen Kragen sich mit elegantem Bogen von innen nach außen eindreht. Die dadurch entstandene diagonale Linie korrespondiert zwar mit der des Schleiers auf der linken Seite, spiegelt ihn aber nicht, wie es ohne diese Haltung durch die rechte Schleierhälfte geschehen wäre. Die Symmetrie ist unterbrochen, ohne die Harmonie zu stören. Man wird gezwungen, genauer hinzusehen. Es ist nicht nur Eleganz, wie sie durch die typisch französische Krone ( mit der Fleur de Lis) vermittelt wird. Jetzt fällt der nach oben zu der Figur des Ehemannes erhobene Blick auf. Leicht fragend, außer Stande, einen inneren Kummer ganz zu verhüllen.  Zumal auch die Ehe ihres Schwagers Hermann von Meißen mit seiner fast genauso schönen polnischen Prinzessin Reglindis kinderlos blieb. Dabei verbreitet Reglindis eine weitaus positivere oder fröhlichere Stimmung. Die rechte Schulter leicht nach vorn gedreht und den Kopf ein wenig nach rechts geneigt, schaut sie jedoch nicht in Richtung ihres Gatten, sondern blickt mit einem recht breiten Lächeln, das auch ihre Augen voll erfasst und durch deren kräftige Ober- und Unterlider noch unterstrichen wird, eher optimistisch in die Ferne. Sie ist wohl zufrieden damit, sich durch die Beteiligung an der großzügigen Stiftung einen Platz im Himmel verdient zu haben, während es Uta anscheinend mehr bekümmert, dass die Ekkehardiner schon so früh aussterben mussten. Unsterblich wurden sie dennoch, denn die beiden Paare stifteten die Nuemburg (daraus wurde Naumburg) der Kirche und erreichten durch die sichere hohe Lage des Dombaus (neben der weniger gefährdeten Lage des Ortes überhaupt), dass ihre Gründung 1029 Zeitz als Bischofssitz ablöste. Die Zeit der kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Slawen war noch nicht vorbei. Etwa 1250 schuf der nach seinem Hauptwerk benannte Naumburger Meister den Westchor des „neuen“ Naumburger Doms mit den 12 Stifterfiguren und dem Lettner, dessen hochgotisches Rankenwerk an den Säulenkapitelen von großer Zartheit ist. Wegen der hochgotischen Stilmerkmale vermutet man, dass er zunächst im Norden Frankreichs tätig war (Noyon, Amiens, Reims), ab 1230 nachweislich in Mainz. Von Naumburg zog er nach Meißen, wo er ebenfalls Stifterfiguren gestaltete. Meiner Meinung nach ähneln sich seine männlichen Figuren von der Physignomie erheblich stärker als Uta und Reglindis. Sie sind alle mit derselben Lockenfrisur ausgestattet, haben eine Gesichtsform, die mehr oder weniger ein abgerundetes Rechteck darstellt, gerade, mittelgroße Nasen und relativ kleine Münder mit vollen Lippen. Der Blick der Augen und das Runzeln der Stirn sind jedoch unterschiedlich. Syzzo, einer der Stifter, ist bärtig und schaut sehr kritisch. Aber immer wieder geht der Blick des Betrachters zu den hohen Frauen.

Andere schöne Frauen gibt es übrigens im Kellergewölbe zu sehen. Es ist eines der größten aus der Mitteldeutschen Romanik und beherbergt heute unter anderem Altartafeln von Lucas Cranach, dessen deutsche Frauen in elegante italienische Renaissancegewänder gekleidet sind. Deutlich merkt man seinen Portaits den großen Schritt aus der mittelalterlichen Typendarstellung heraus zum individuellen Bildnis an. Wobei natürlich ähnlich wie bei Botticelli die Züge seines Lieblingsmodells immer wieder hervorscheinen.

So, jetzt sollte genug Appetit darauf gemacht worden sein, sich wieder einmal in deutschen Landen umzusehen. Zum Beispiel der Straße der deutschen Romanik folgend. Es gibt vieles zu entdecken.

Andrea Claussen